Brigitte Goss war schon immer naturverbunden. „Meine Mutter und auch meine Großmutter haben immer gegärtnert.“ Zu Beginn der 80er-Jahre ist ihr im Zuge der Ökobewegung mehr und mehr die Schönheit der Erde bewusst geworden – „das ist ähnlich wie heute mit Fridays for Future“. Kein Wunder also, dass sie als Gartenbautechnikerin arbeitet. Nach ihrem Fachagrarabitur an den Landwirtschaftlichen Lehranstalten Triesdorf lernte sie in der Nähe des Freizeitparkes Geiselwind Gärtnerin. „Mein Abiturschnitt war einfach zu schlecht, um ein Architekturstudium oder ein Gartenbaustudium mit einem NC von 1,6 anzufangen. Keine Chance!“ Der Produktionsbetrieb, in dem sie ausgebildet wurde, benutzte damals Pflanzenschutzmittel – unter anderem Blausäure, was für sie undenkbar war. „Es war vollkommen klar, dass ich eine solche Art von gärtnerischer Arbeit nicht mein Leben lang tun würde. Das war so fern von der Natur.“ Daraufhin arbeitete die umweltbewusste Frau viele Jahre in der Kundenberatung in einer Gärtnerei in Unsleben in der Nähe von Bad Neustadt. Um sich weiterzuentwickeln, machte sie mit über 30 Jahren eine Weiterbildung an der Staatlichen Technikerschule für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim. „Man kann sich das heute kaum mehr vorstellen, aber ich hatte anfangs wirklich Zweifel, ob ich das mit zwei Kindern schaffen würde. Mein Mann hat mich angemeldet, ich habe mir das nämlich einfach nicht zugetraut.“
Am Computer in Schweinfurt
Seit zehn Jahren hat sie eine halbe Stelle als Gartenfachberaterin im Landratsamt in Schweinfurt, diese gehört zur unteren Naturschutzbehörde. Mehr noch als der Verdienst reizt die Angestellte der Spaß am Job. Sie arbeitet mit Gemeinden, die mit Projekten auf sie zukommen, aber auch mit Vereinen. Ihre Aufträge umfassen inklusive Planung meist ein halbes Jahr. Die 56-Jährige bedauert, nur wenig Zeit in der Natur, beim Pflanzen oder Umstrukturieren einer Grünfläche, zu sein, meist ist sie im Büro „Ich sitze viel zu oft vor der Kiste“, sagt sie, womit sie ihren Computer meint. Selbstverständlich spielt der Klimawandel bei ihrer Arbeit eine Rolle: So muss sie berücksichtigen, dass bestimmte Baumarten wie die Linde nicht mehr gepflanzt werden können. Die Linde leidet bei Hitze und anhaltender Trockenheit. Im städtischen Bereich ist ihre Art, ein breites Wurzelwerk zu bilden, weniger erwünscht. Stattdessen verwendet Goss Bäume wie Gingko, rotblühende Kastanie, Lederhülsenbaum oder Schnurbaum, Sophora. Bei der Bepflanzung von Grünanlagen spielt die Beschaffenheit des Bodens eine große Rolle und ist entscheidend für die Auswahl zwischen Flach- oder Tiefwurzlern.
Oft fallen im Zusammenhang mit Obstbäumen Begriffe wie alte Sorten oder genetische Vielfalt. Auch hier hat Brigitte Goss eine klare Meinung: Sie ist der vollkommenen Konzentration auf alte Sorten gegenüber eher kritisch eingestellt, genauso lehnt sie auch die alleinige Benutzung von neuen Obstsorten ab. Stattdessen ist sie für einen gesunden Mix aus beidem. Bei Kirschen allerdings ist sie Fan von alten Arten, um diese bemüht sie sich. „Als ich neulich spazieren war, habe ich an einem Ort mit denkbar schlechten Bedingungen eine fast verschollene Kirschensorte entdeckt: die Große Braune.“ Begeistert von ihrer Entdeckung, lässt sie diese von der einzigen Obstbaumschule in Unterfranken vermehren. Beim Thema genetische Vielfalt ist sie der klaren Überzeugung: „Es ist fünf nach zwölf.“
80 000 Klicks an einem Tag
Die Tage, die sie am Auftragsort selbst im Freien verbringen kann, genießt sie. Ihr eigener Garten im beschaulichen Burghausen bei Münnerstadt gleicht einem kleinen, bunten Paradies. Dort wachsen Kirschen, Maulbeeren und Mandeln. Es gibt zwei Teiche und Wildkräuter. Stolz ist sie, dass 107 Wildbienenarten nachgewiesen werden konnten. „Mein Garten ist oft im Fernsehen“ – aber nicht nur dieser, sondern auch sie selbst ist oft im TV zu sehen. Denn sie ist Gartenberaterin beim Mitteldeutschen Rundfunk, beim Bayerischen Rundfunk ist sie sowohl im Radio als auch im Fernsehen vertreten. Unter anderem ist sie seit zehn Jahren in der Sendung „Wir in Bayern“ zu sehen. Beim MDR hat sie eine Rubrik auf der Onlineseite. Dort lädt sie jede Woche einen Tipp für Hobbygärtner hoch. Bereits bei ihrem ersten Clip war sie begeistert von der Resonanz: „Innerhalb von einem Tag schon 80 000 Klicks! Yeah!“ Etwa zehn Prozent ihres Jobs verbringt sie mit der Beratung bei Wettbewerben. Auf regionaler Ebene betreut sie „Unser Dorf hat Zukunft“, „Unser Dorf soll schöner werden“ oder den „Tag der offenen Gartentür“. Sie ist in der Jury des europäischen Gartenwettbewerbs „The European Award of Ecological Gardening“, bei dem sie selbst neue Denkanstöße gewinnt. Hierbei geht es um Projekte, die die Zukunft besser oder erträglicher machen sollen.
In ihrem Beruf ist viel Wissen erforderlich. Neue Themen wie klimafreundliche Methoden kommen hinzu. Bei ihren Fernsehauftritten ärgern sie Rollenklischees. „Am Anfang traut dir als Frau niemand etwas zu. Fernsehen in Deutschland ist definitiv Männerfernsehen.“ Dennoch bereitet ihr ihre Arbeit große Freude. „Ich dachte mir: Wartet nur ab, ich zeig’s euch!“ Außerdem ist sie stolz, ein Teil derer zu sein, die die Welt zumindest etwas ökologischer gestalten.